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Month: January, 2014

Ein Kommentar zu “Bundeswehr hält Migration für eine sicherheitspolitische Bedrohung” – MiGAZIN, 28. 01. 2014

Ein aktueller Beitrag des MiGAZINs (http://www.migazin.de/2014/01/28/bundeswehr-schulen-migration-bedrohung/) berichtet, die Bundeswehr würde in ihren Schulinformationen Migration als Bedrohung für Deutschland bezeichnen. Das aber stimmt so nicht.

Unglücklich ist, dass die Bundeswehr in ihrem Jugendoffizierbericht, der dem Artikel zu Grunde liegt, offensichtlich nicht hinreichend differenziert hat, um deutlich zu machen, dass Migration natürlich keine Bedrohung ist. Migration hat aber sicherheitspolitische Aspekte, die auch die äußere Sicherheit und somit die Bundeswehr betreffen. Das ist nicht neu und wurde nie bestritten. Daraus abzuleiten, die Bundeswehr als Organisation betrachte Migration als Bedrohung ist abenteuerlich. Das wird auch nicht den vielen Soldaten mit Migrationshintergrund – unter anderem auch mit doppelter Staatsbürgerschaft – gerecht, die gerne in der Bundeswehr ihren Dienst tun. 

Es ist schade, dass der Autor über Textstruktur und Auswahl der Informationen und Zitate die Bundeswehr als rassistisch darstellt. Die angebliche und ohne Belege unterstellte Fremdenfeindlichkeit der Truppe kennt der Verfasser wohl auch nur als Legende, die von Autor zu Autor weitergereicht wird. Fakt ist, dass die Bundeswehr den höchsten prozentualen Anteil von Deutschen mit Migrationshintergrund aller Bundesbehörden hat und sich die weit überwiegende Mehrheit dort sehr wohl fühlt. Im vergangenen Wehrbeauftragtenbericht etwa, wurde erneut ein Rückgang der rassistischen oder rechtsradikalen Taten vermeldet, von 67 in 2012 auf 58 in 2013 – bezogen auf fast 200.000 Soldaten. Jede einzelne Tat ist dabei ein Verbrechen zu viel, aber viele Deutsche mit Migrationshintergrund dürften aus Magdeburg, Köln oder Augsburg andere Quoten gewöhnt sein.

Die Bundeswehr ist wie die meisten Armeen ein Integrationsmotor. Nirgendwo sonst lernen sich Menschen so intensiv und direkt kennen. Menschen, die sonst niemals miteinander gesprochen hätten leben auf einer Stube, sitzen gemeinsam beim Essen, liegen gemeinsam im Schlamm. Viele der Soldaten mit Migrationshintergrund, die bei der Bundeswehr eine Ausbildung oder sogar ein Studium finanziert bekommen, schaffen so den sozialen Aufstieg.

Letztlich befeuert dieser als Bericht getarnte Meinungsartikel nur die Ängste der Migranten und Deutschen mit Migrationshintergrund, die eigentlich genauso von den Aufstiegschancen durch die Bundeswehr profitieren könnten, wie die Bundeswehr von der steigenden Vielfalt profitiert. Ein kritischer Blick auf die Streitkräfte ist wichtig für unsere Demokratie, ein verächtlicher und verfälschender Blick hingegen schädlich.

Äußere Sicherheit

Seit längerem schon begegnet man häufiger mal Soldatinnen mit bunten Gemälden auf den recht langen Fingernägeln oder Soldaten mit dicken und dumpf wummernden Kopfhörern über der Kopfbedeckung und so mancher staunt begeistert, was der Dienstherr oder zumindest der direkte Vorgesetzte so alles mitmacht. Ein bisschen wundert man sich vielleicht, ob das alles so seine Richtigkeit hat. Nun weiß man es: Nein.

Denn seit dieser Woche ist die Zentrale Dienstvorschrift, kurz ZDv, A-2630/1, „Das äußere Erscheinungsbild der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr“, in Kraft. Dabei ist gerade dieser Erlass einer der prominenteren der Bundeswehr. Aus der Taufe gehoben Anfang der 70er Jahre vom damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt brachte die Vorschrift dem späteren Kanzler und Hauptmann der Reserve einen Ritterschlag wider den tierischen Ernst. Die damalige Mode forderte die männliche Jugend zur Verweigerung des Frisörbesuchs auf. Schmidt nahm es mit Humor und ordnete dienstliche Haarnetze an, um der haarlichen Beatlemania Herr zu werden – 740.000 Stück wurden beschafft. Der Wehrbeauftragte knirschte in seinem Bericht, dass er dem Witz von der German Hair Force nicht viel abgewinnen könne.

Ab sofort geht es aber nicht mehr nur um Haare, sondern um alle Körperpartien der Soldatinnen und Soldaten, die dem Ansehen Deutschlands in der Welt schaden könnten.  Wie bei fast allen Vorschriften, gewährt auch die neue ZDv Einblick in die geschundene Psyche des Dienstherrn. Denn viele Vorschriften haben ihre Ursache in unvorhersehbar nachlässigem, kontraintuitivem und offenbar auch geschmacklosem Verhalten von einzelnen Soldatinnen und Soldaten. So haben etwa Strasssteine und Glitzer ab sofort nichts mehr auf den Fingernägeln von Soldatinnen zu suchen, augengefährdende Experimente mit wechselnden Haarfarben sind ebenso verboten und die Kameraden sollen aufhören, sich pornographische Motive auf den Körper zu tätowieren.

Das vorher als Haar- und Barterlass bekannte Regelwerk ist so fast zum Stilführer mutiert. In mütterlicher Zuwendung hört man den Dienstherrn rufen „Kind, lass den Quatsch“, während er Ohrtunnel verbietet, also die Anbringung von bis zu untertassengroßen Scheiben in den Ohrläppchen und stattdessen zu Steckern aus Edelmetall oder Perlmutt rät. Aber nur einer je Ohr!

Im finalen achten Kapitel findet sich schließlich nur ein Satz. Beim Tragen des Gesellschaftsanzugs (für die Herren ein Smoking, für die Damen ein – vorsichtig formuliert – altbackenes Etwas) belässt es das Ministerium bei der Hoffnung, dass die Soldatinnen und Soldaten „dem Anlass entsprechend“ selbst festlegen, was geht und was nicht. Allerdings hat der Dienstherr auf der Seite vorsorglich noch etwas Platz gelassen für die modische Phantasie seiner Soldatinnen und Soldaten und den vermutlich folgenden Regelbedarf.

Debatte zum Wehrbeauftragtenbericht

Wenig Kritik bekam Ursula von der Leyen vom Wehbeauftragten des Bundestages Hellmut Königshaus bei der heutigen Debatte zum Wehrbeauftragtenbericht 2012. Anstatt seine in letzter Zeit häufiger zu hörenden Mahnungen zu erneuern, lobte der Wehrbeauftragte die neue Verteidigungsministerin für ihren ersten gesetzten Schwerpunkt, die Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Auch die Vertreter der SPD hatten zwar noch leichte Kritikpunkte, gaben sich aber im Großen als brave Koalitionäre und freuten sich ebenfalls auf die Zusammenarbeit. Einzig die neue Grüne Verteidigungsfrontfrau Angieszka Brugger verwies darauf, dass sicherheitspolitische Kernfragen, wie die globale Einsatzstrategie der Bundeswehr, die Zukunft des Afghanistaneinsatzes nach 2014, der Umgang mit großen Beschaffungsvorhaben, wie dem kürzlich gescheiterten Drohnenkauf und der Einsatz in Krisenregionen wie Sudan oder Mali, unbeantwortet blieben. Ursula von der Leyen selbst bekräftigte ihr Bemühen um Lebenszeitkonten, Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten. Die Sinnfrage, so sgate sie, sei damit gleichwertig und Bestandteil des Bemühens um eine höhere Attraktivität der Bundeswehr, die zu einem der begehrtesten Arbeitgeber der Bundesrepublik werden müsse. Bis zur Vorstellung des Wehrbeauftragtenberichts 2013 und der bedeutenden Münchner Sicherheitskonferenz vergehen nur noch wenige Tage. Die Zeit wird Frau von der Leyen nutzen müssen, um sich auch sicherheitspolitisch zu positionieren.

Abschied von Präsident Kennedy

Im Internationalen Club des Auswärtigen Amtes ging gestern Abend ohne großes öffentliches Aufsehen, aber unter Anwesenheit politischer Prominenz, eine Ära zu Ende. Craig Kennedy, Präsident des German Marshall Fund, tritt nach 18 Jahren an der Spitze des auf Initiative von Willy Brandt gegründeten Think Tanks zurück. Kennedy trat sein Amt 1995 an und hat den German Marshall Fund seitdem von einer kleinen deutsch-amerikanischen Initiative mit viel politischem Geschick zu einem globalen Think Tank gemacht. Neben zahlreichen Freunden und Mitarbeitern, waren auch Omid Nouripour, Daniel Bahr und Norbert Röttgen vor Ort, um Kennedy zu verabschieden. Humorige Reden wurden von dem parlamentarischen Staatssekretär im Innenministerium Günter Krings, dem deutschen Botschafter in Japan Volker Stanzel und Grünen Chef Cem Özdemir gehalten. Kennedys Antwort und Abschiedsrede verwies auf die gegenwärtigen Schwierigkeiten in den transatlantischen Beziehungen, die durch den Aufstieg Chinas noch verschärft würden. Für diesen Abend aber darf der transatlantische Freundeskreis seinen Blick noch einmal in Dankbarkeit auf die letzten 18 Jahre richten, bevor er sich bald wieder auf die schwere Gegenwart und unsichere Zukunft richtet.

Tote Materie

Die neuen Organspendezahlen sind da und erneut gesunken. Wenig überraschend wird direkt danach eine Debatte über die Verantwortung der am Organskandal beteiligten Ärzte und diejenige des Gesundheitsministeriums beginnen und kurz danach abebben. Verkannt wird dabei, dass dieses Thema in den USA schon deutlich weiter ist und der dortige Lösungsvorschlag sogar mit einem Nobelpreis prämiert wurde.

2012 erhielt Alvin Roth von der Universität Harvard die Auszeichnung für zwei Modelle zur Verbesserung der Effizienz bei Nierenspenden. Nierenpatienten machen den weit überwiegenden Teil der Warteliste aus. Zum einen postulierte er die Überkreuzspende. Dabei spenden sich zwei untereinander medizinisch inkompatible Spender-Empfänger-Paare.

 In Deutschland wurde dieses Verfahren nach langwierigen Prozessen für rechtmäßig erklärt, wenn die beteiligten Paare in enger Beziehung waren oder zumindest erkennbar bleiben wollen. Die rechtliche Komplikation rührt daher, dass Altruismus dem Gesetzgeber offenkundig suspekt ist und jede Lebendspende von nicht direkt Verwandten oder nachweislich eng befreundeten als Organhandel gilt.

Damit ist auch das zweite Modell des Prof. Roth, die sogenannte Kettenspende, aus dem Rennen. Denn bei diesem Verfahren ist man auf eine selbstlos gespendete Niere angewiesen. Diese wird über eine zentrale Vergabestelle und anonym an ein Spender-Empfänger-Paar gegeben. Durch die Anonymität werden auch mögliche Kompensationszahlungen der Empfänger an den Spender verhindert. Der nun freigewordene Spender gibt seine Niere an das nächste Paar und so weiter. Auf diese Weise können mit nur einer Niere theoretisch mehrere Dutzend bis Hunderte Patienten gerettet werden.

Doch statt sich mit der Frage der Straffreiheit für altruistische Lebendspenden zu befassen, wird weiterhin über den Mangel an (toten) Organspendern gestritten. Dabei ist neben der höheren Effizienz der Rothschen Verfahren auch eine höhere Effektivität zu verzeichnen. Lebendspenden sind häufig jünger und sind vor allem keiner Ischämiezeit ausgesetzt, also der für das Organ und die Transplantation schädlichen Zeit zwischen einsetzendem Tod des Spenders und Entnahme durch einen Arzt.

Roth hatte übrigens auch den Organskandal vorhergesagt. In seiner Untersuchung stellte er fest, dass es die spieltheoretisch dominante Strategie für Ärzte sei, eintreffende Spenderorgane den eigenen Patienten zu geben. Dies sei wenig verwunderlich, wenn man unterstelle, dass Ärzte zunächst ihre eigenen, ihnen persönlich bekannten Patienten und deren Leiden im Blick haben. Diese Erkenntnis ist eher menschlich als skandalös. Skandalös dagegen ist, dass die Bundesrepublik die neuen Verfahren mit einem mehr als unglücklichen Transplantationsgesetz weiterhin blockiert, während tausende auf den Wartelisten ihrem Ende entgegen sehen.